Rolf Stemmle

Belletristik und Lyrik, Theater und Musik

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 Erzählungen von Werken des Musiktheaters
Die komplexen Handlungen werden für den Leser aufgeschlüsselt und transparent erzählt.

  Zauberflöte – Fidelio – Freischütz
Frühe deutsche Opern eingängig erzählt

Drei Geschichten, die während einer Zeitenwende vertont wurden: Die Menschen strebten nach Aufklärung und Freiheit. In der „Zauberflöte“ erlernt Prinz Tamino, seine Wahrnehmung zu erweitern und durch Klugheit sein Glück zu finden. Die Handlung des „Fidelio“ wird angetrieben von einem mutigen Kampf gegen Amtsmissbrauch und Freiheitsberaubung. Die Gesellschaft, in deren Mitte der „Freischütz“ spielt, lässt sich von unmenschlichen Traditionen und der Angst vor dunklen Mächten beherrschen, bis ihr ein weiser Eremit einen Ausweg aufzeigt.

Verlag Königshausen & Neumann, 2018
978-3-8260-6490-6 / 134 Seiten / 9,80 €

Leseprobe:

aus: Die Zauberflöte

Vieles ist anders, als es erscheint. Eine Landschaft wirkt nachts wie ein Bild, das nur in schwarzen und grauen Tönen gemalt wurde, mit dem Sonnenaufgang verwandelt sie sich in ein buntes, prächtiges Farbenmeer. Ein Mensch, den wir wegen einer Eigenheit ablehnen, kann ein Freund werden, wenn wir ihn näher kennenlernen. Und eine Entwicklung, die wir durchleben, kann von ganz anderen Faktoren ausgelöst worden sein und in ihrem Verlauf beeinflusst werden, als wir dies am Anfang des Weges wissen.
Manchmal ist die Voraussetzung, dass wir einen anderen Blick auf die Hintergründe erhalten, die eigene, zeitgleiche Veränderung. Sie setzt die Bereitschaft voraus, das Gewohnte zu verlassen und einem neuen, frischen Gefühl zu folgen.
Prinz Tamino besaß diese Wandlungsfähigkeit und er wurde dafür am Ende einer verschlungenen Geschichte mit einer glücklichen Zukunft belohnt. Ihren Hintergrund erfuhr er erst nach lebensbedrohlichen Ereignissen und harten Prüfungen, aber er blieb unbeirrt auf seinem Weg, weil er jenem frischen Gefühl vertraute. Es war das Gefühl von Liebe. Gleichzeitig spürte er das Wahrhaftige, das diesem Gefühl innewohnt, und von dem er sich sein eigenes Aufblühen erhoffte.
Folgendes geschah also, bevor Tamino in die Geschichte eintrat:
Der König eines großen Reiches wollte nicht durch Macht und Gewalt herrschen. Er sah die Berufung des Menschen darin, den Idealen von Weisheit, Toleranz und Brüderlichkeit nachzustreben. Da seit jeher die Sonne sowie Osiris und Isis, das Götterpaar des Alten Ägypten, als Sinnbilder dieser Tugenden verehrt wurden, gestaltete er seine Königsburg nach dem Vorbild der ägyptischen Tempel. An seiner Brust trug der König als Kettenschmuck einen goldenen Reif, den siebenfachen Sonnenkreis.
Er schloss sich einem Bund von Gleichgesinnten an, die sich die „Eingeweihten“ nannten; denn auch sie verfolgten das Lebensziel, ihr Glück in innerer Vervollkommnung zu suchen, anstatt in weltlicher Bedürfnisbefriedigung.
Seine Gattin, die Königin, war ganz anderer Natur. Sie fühlte sich im Dämonischen zuhause und huldigte dem Aberglauben. Der König war daher in Sorge um seine Tochter Pamina. Sie sollte in seinem Sinne erzogen und im Zeichen des Sonnenkreises glücklich werden, an der Seite eines würdigen Mannes.
Eines Tages erlebte der König eine Zauberstunde, in der er von einer unbekannten Macht ein Gut erhielt: Bei Blitz und Donner kam er an einer tausendjährigen Eiche vorbei. Sie wurde in diesem Moment von einem Blitz gespalten, und aus ihrer Wurzel ließ sich eine Flöte schneiden. Der König erkannte sofort den Wert des Instrumentes. In der Flöte steckte nämlich die Wahrhaftigkeit der immerwährenden Natur. Der Klang ihrer Musik musste eine ungeheure Kraft besitzen. Ohne zu ahnen, welche Bedeutung diese Zauberflöte noch erlangen sollte, verwahrte er sie in seiner Königsburg.
Doch bald spürte der König, dass sein Leben zu Ende ging. Die Sorge, was aus seiner Tochter und seinem Königreich werden würde, wenn seine Gattin regierte, trieb ihn dazu, den siebenfachen Sonnenkreis dem Obersten seiner Gesinnungsbrüder zu übergeben: Sarastro. Und er bat ihn auch, seine Tochter in Gewahrsam zu nehmen, bis sie an der Seite eines würdigen Prinzen das Königreich regieren konnte. Dann starb der König.

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